Letztens war ich zu Besuch bei einer Freundin und ihrem 2-jährigen Mädchen Hanna. Die ganze Familie ist sehr sozial und alle gehen empathisch auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen ein. Hannas Mama machte sich jedoch Sorgen um die sozialen Fähigkeiten ihrer Tochter, die am Spielplatz manchmal recht „dominantes“ Verhalten zeigt.
Sehr liebevoll behandelt sie ihre Puppe „Lisa“, sie wiegt sie lange im Arm und versorgt und füttert sie. Als ihre kleine Freundin Amina zum Spielen kommt, wird auch diese umsorgt und bemuttert. Sie füttert sie mit Nüssen egal, ob sie will oder nicht. Ihre Mama reagiert auf diese Situation wunderbar mit dem Marte Meo Element „Benennen“ und sagt freundlich: „Schau mal, Amina hat schon genug Nüsse, sie möchte keine mehr. Ich glaube, sie haben ihr gut geschmeckt.“
Hanna und Amina beschäftigen sich erstaunlich lange allein in Hannas Zimmer. Hanna und Amina kennen ihre Rolle, ihre „Rang-Ordnung“ bereits. Amina ist etwas jünger und kleiner, aber auch etwas stiller und hat noch nicht den Wortschatz und die Gesprächigkeit wie Hanna, die uns am liebsten den ganzen Tag an ihren „Weisheiten“ teilhaben lässt. Hanna ist die Führende, Amina ordnet sich unter. Durch die Klarheit in der Rollenverteilung verstehen sich die beiden Mädchen wunderbar. Hanna überläßt Amina alle ihre Spielzeuge, nur auf ihre Stühle lässt sie sie nicht. Als Amina sich auf ihren Stuhl setzen will, zieht sie sie an der Hand herunter. Amina akzeptiert jedoch. Später passiert es wieder, dass Hanna Amina vom Hochstuhl ziehen will. Wie soll ihre Mutter reagieren?
Die Rangordnung in der wir uns unser gesamtes Leben lang befinden ist eine instinktive Richtschnur für unser soziales Zusammenleben, in die wir uns, wie man sieht, schon in jüngstem Alter einordnen und unser Verhalten ausrichten. Solange wir in unserer Rolle bleiben, verläuft das soziale Spiel reibungslos. Stellen sie sich vor, sie werden bei einer Verkehrskontrolle angehalten. In welcher Rolle befinden sie sich und wie werden sie sich verhalten? Und welche Konsequenzen hätte es, wenn sie nicht in ihrer Rolle blieben?
Hanna hat gegenüber Amina eine übergeordnete Rolle: Einerseits bestimmt sie, andererseits beschützt und umsorgt sie. Wenn Hanna ihre Plätze im Haus so wichtig sind, dass sie sie nicht hergeben möchte, sollten alle dieses Bedürfnis respektieren, denn es ist ihr Haus und ihre Stühle. Es geht nur mehr darum, dass Hanna lernt, WIE man Amina sagt, dass sie von dem Hochstuhl aufsteht. Ihre Mutter könnte auch nachfragen: „Amina möchte gerne mal auf DEINEM Hochstuhl essen, lässt du sie da mal sitzen?“ Die Entscheidung Hannas sollte nun auf jeden Fall durchgesetzt werden: „Amina, das ist Hannas Stuhl, komm zu mir, du darfst auf meinem Schoß sitzen.“ oder „Amina, schau, wie nett: Hanna läßt dich auf ihrem Stuhl sitzen.“